Ringen um Demokratie und Freiheit
1966: Das Ende der „Adolf-Bartels-Straße“
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Ab 1922 trug diese Straße den Namen des bekannten Dithmarscher Heimatschriftstellers Adolf Bartels. Aber 1966 überklebten Abiturienten aus Heide und Wesselburen das Straßenschild. In einem Brief begründeten sie ihre Aktion: „Wir sind stolz darauf, dass unsere Schule uns zu freiem und kritischem Denken und zu staatsbürgerlichem Verantwortungsbewusstsein erzogen hat. … Wir kennen das Recht der Stadt Wesselburen, Straßennamen in eigener Verantwortung zu bestimmen. Aber wir nehmen für uns auch das Recht in Anspruch, gegen legale Missgriffe zu protestieren.“ Was störte die protestierenden Schüler und Schülerinnen?

Adolf Bartels (1862-1945) stammte aus Wesselburen. Er schrieb Heimatromane, die eine antimoderne Weltsicht verherrlichten: Die Großstadt und alles Fremde stellte er negativ dar und forderte die Rückbesinnung auf Heimat, „Scholle“ und Tradition. Am Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte er zur antidemokratischen „völkischen Bewegung“. Demokratie war für Bartels „undeutsch“ und „jüdisch“. Ab 1933 handelte er als Anhänger der Nationalsozialisten und fanatischer Judenfeind. – Bartels gilt heute als bedeutender Schriftsteller der völkischen Literatur und als Wegbereiter des Nationalsozialismus.
Die Stadt Wesselburen war stolz auf Bartels. Zur Straße kamen vor 1945 noch zwei nach ihm benannte Schulen hinzu. Noch 1954, ein Jahrzehnt nach dem Ende der NS-Herrschaft, wollte Heide es Wesselburen gleichtun. Nach Berichten ausländischer Zeitungen lehnte das Kultusministerium den Antrag ab. Seit 1958 darf keine Schule in Schleswig-Holstein den Namen Bartels tragen. Nur sehr widerwillig benannte Wesselburen die Schulen um.
Aber die Straßennamen in Wesselburen und in Heide blieben zunächst. 1964 kritisierten sechs Gymnasiallehrer aus Heide und Meldorf öffentlich einen Schulwettbewerb zum Thema „Dithmarscher Heimat“. In den Medien entbrannte eine Debatte um die Bewältigung des Nationalsozialismus in Dithmarschen, die sogar internationale Reichweite erlangte. Der Druck stieg: 1965 benannte Heide seine Straße um. Und in Wesselburen führte erst 1966 die Aktion der Abiturienten zur Umbenennung der Straße.
Die erfolgreichen Proteste gegen die antidemokratischen Straßennamen zeigten, dass auch in Dithmarschen die Sensibilität gegenüber der nationalsozialistischen Vergangenheit wuchs.
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Hinweis: Wenn Sie die ganze Tour Ringen um Demokratie und Freiheit durch Norderdithmarschen geschafft haben, können Sie einen besonderen Sticker in der Tourismusinformation in Büsum einlösen. Als Nachweis zeigen Sie bitte die „geloggten Caches“ oder Bilder der Geocaches.
Verwendete Literatur:
- Danker, Uwe & Schliesky, Utz (Hrsg.): Schleswig-Holstein 1800 bis heute. Eine historische Landeskunde. Husum 2014.
- Danker, Uwe & Schwabe, Astrid: Die Volksgemeinschaft in der Region. Schleswig-Holstein und der Nationalsozialismus. Husum 2022.