Ringen um Demokratie und Freiheit
1929: Die „Blutnacht von Wöhrden“
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Hier in Wöhrden gerieten am 7. März 1929 Nationalsozialisten und Kommunisten aneinander – mit Todesopfern auf beiden Seiten. Dieses Ereignis wurde fortan als „Blutnacht von Wöhrden“ bezeichnet. Warum rückte dieser aus Berliner Sicht doch ferne Ort ins Rampenlicht? Wie konnte so etwas in der Weimarer Demokratie geschehen?
Die Begegnung in Wöhrden war kein Zufall: Die NSDAP-Ortsgruppe Heide hatte zu einem Vortrag am 7. März 1929 nach Wöhrden eingeladen. Der Ort galt als eher linksorientiert. Deshalb begriffen Dithmarscher Kommunisten dies als eine bewusste Provokation; sie lagen richtig. Aus Angst vor Ausschreitungen verbot Landrat Pauly die Veranstaltung. Letztlich änderte die NSDAP aber nur den Namen und lud dann zu einer „Mitgliederversammlung“ ein. Während der Veranstaltung zogen demonstrierende Kommunisten mehrfach am Tagungslokal vorbei. Die Nationalsozialisten sammelten sich zum Gegenmarsch, es kam zur Eskalation – der „Blutnacht von Wöhrden“.
Es ist 21:30 Uhr, als circa 300 Nationalsozialisten mit etwa 100 Kommunisten zusammentreffen. Erst bilden die Nationalsozialisten eine Lücke, die einige Kommunisten passieren. Plötzlich schließt sich die Lücke und es ertönen Befehle zum Sturm. Bevor die Polizei einschreiten kann, sterben zwei SA-Männer und ein Kommunist, auch zahlreiche Verletzte sind zu beklagen.
Die Beisetzungen der SA-Männer werden zu propagandistischen Großereignissen. Auch NSDAP-Parteichef Adolf Hitler reist persönlich an. Zur ersten Trauerfeier kommen 500 Gäste, zur zweiten 3.000. Hitler erhebt die toten SA-Männer zu Märtyrern für ein neues Deutschland. Unter den Trauergästen sind auch Anhänger der nationalkonservativen DNVP, die 1933 Koalitionspartner im Kabinett Hitler sein wird. So ist der 7. März ein Tag, der die NSDAP in Dithmarschen über die eigene Parteigrenze hinaus salonfähig macht. Und die NS-Partei selbst gewinnt neue Mitglieder.
Ein Jahr später fand der Gerichtsprozess statt. Elf Kommunisten erhielten Haftstrafen, sie galten als Hauptverantwortliche. Nur ein Mitglied der NSDAP wurde zu zwei Monaten Haft verurteilt. Die Weimarer Justiz war auf dem „rechten Auge blind“.
Was ist der richtige Umgang mit Demokratiefeinden? Wieviel Freiheit gewährt man ihnen und wann sollten Demonstrationen eher verboten werden? – Nach wie vor keine leichten Fragen.
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Hinweis: Wenn Sie die ganze Tour Ringen um Demokratie und Freiheit durch Norderdithmarschen geschafft haben, können Sie einen besonderen Sticker in der Tourismusinformation in Büsum einlösen. Als Nachweis zeigen Sie bitte die „geloggten Caches“ oder Bilder der Geocaches.
Verwendete Literatur:
- Danker, Uwe/Schwabe, Astrid: Die Volksgemeinschaft in der Region. Schleswig-Holstein und der Nationalsozialismus. Husum 2021.
- Peter, Christian: Nationalsozialistische Machtdurchsetzung in Kleinstädten. Eine vergleichende Studie zu Quakenbrück und Heide/Holstein. Bielefeld 2015.
- Pfeil, Ulrich: Dithmarschen in der Weimarer Republik 1918-1933. In: Verein für Dithmarscher Landeskunde e.V (Hrsg.) Geschichte Dithmarschen. Heide 2000. S. 299-326.